Direkte Übertragungslinie der Meister
Durch das konfuzianische Denken beeinflusst, sind in China Kung Fu-Familien gleich wie echte Familien strukturiert. Das Wort Sifu, für Meister, bedeutet nicht zufällig so viel wie väterlicher Lehrer und Schüler des gleichen Lehrers werden auch heute noch als Kung Fu-Brüder bezeichnet. So bekommen also die SchülerInnen ihr Wissen von ihrem „Kung Fu-Vater“ übertragen, der es wiederum von deren „Kung Fu-Großvater“ erhalten hat. Vergleichbar mit einer Erbfolge kann man somit die Kung Fu-Vorfahren über den Urgroßvater, Ururgroßvater usw. bis zum Begründer/der Begründerin eines Kung Fu-Stils zurückverfolgen.
Vereinfacht gesagt bedeutet das, dass ich selbst nur dann ein echter Wing Chun-Meister werden kann, wenn mein Lehrer unzweifelhaft ebenfalls ein echter Meister war. Nun stellt sich die Frage. Wann kann man von einem echten Wing Chun-Meister sprechen?
Neben der Voraussetzung, dass auch der eigene Lehrer ein unzweifelhafter Meister gewesen sein muss, muss auch dessen Lehrer, der Lehrer seines Lehrers und alle Generation davor, ununterbrochen bis zurück zur Gründung des Stils, diese Voraussetzungen erfüllt haben. Die zweite Voraussetzung ist es, dass man tatsächlich das gesamte Wing Chun-System erlernt hat. Ein echter Wing Chun-Meister kann niemals selbst ernannt sein, sondern muss den Punkt erreicht haben, an dem einem der eigene Meister mitteilt, dass er einem nichts mehr beibringen kann.
Zusammenfassend können wir also sagen, dass ein echter Wing Chun-Meister nur jemand sein kann, der das ganze System erlernt hat (und dies von seinem Meister bestätigt bekommen hat) und in einer bis zur Gründung ununterbrochenen Übertragungslinie steht (bedeutet, dass jede Generation davor ebenfalls von echten Meister gebildet wurde). Wenn man von einem oder mehreren Lehrern lernt, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, kann man, selbst wenn man ein sehr hohes Niveau (vielleicht sogar ein höheres als manche Meister) erreicht, niemals ein echter Wing Chun-Meister werden. Letztlich entscheidet dann nicht die Qualität des Wing Chun, sondern die Frage, ob man in einer ununterbrochenen Übertragungslinie steht. Im konfuzianischen Denken bedeutet dies: ich kann beispielsweise nur Enkel (in väterliche Linie) von meinem Großvater sein, wenn mein Vater tatsächlich mein Vater und mein Großvater tatsächlich mein Großvater war.